Sonntag, 25. November 2012

Statistik und Medien


Journalisten stützen sich in ihren Artikeln gern und immer mehr auf Statistiken - nur verwenden sie diese leider meist kritiklos und  werden dadurch zu Verbreitern und Multiplikatoren auch noch des größtes Unsinns und der zweckorientierten Desinformation.

Ein guter,  d. h. gewandter Statistiker kann mit Zahlen alles Gewünschte beweisen und auch das Gegenteil, ohne im Geringsten lügen oder fälschen zu müssen. Es kommt immer nur darauf an, welche Größen und Einheiten man zueinander in Beziehung setzt und schon ist die gewünschte Aussage da. Alles wird auf Prozente heruntergebrochen, weil das die einzigen Parameter sind, die das Publikum versteht.

Beispiel aus einem Artikel von G. Stadler in der WZ vom 20.11.2012 über Eisenbahnen: Dort wird Bezug genommen auf eine gerade rechtzeitig zur bevorstehenden Liberalisierung des Öffentlichen Verkehrs in Deutschland lancierte Studie, die – natürlich bestens mit Zahlen untermauert – beweist, dass der Bus umweltfreundlicher ist als die Bahn. Hört, hört!

Vielleicht stimmt das ja sogar, unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen und in Detailsituationen.  So eine Studie wird dann - schon etwas "zusammengefasst" schnell in eine Nachrichtenagentur eingespeist und verliert bei  ihrem unvermeidlichen Lauf durch die Medien immer mehr an Detailschärfe. Solch  eine Aussage lässt ja aufhorchen, weshalb ein großes Nachrichtenmagazin das natürlich aufgreifen muss - und schon findet sich die „Information“ in allen Gazetten landauf, landab in einer Form, die mit der ursprünglichen Studie nicht mehr viel zu tun hat, aber nun genau ihren Zweck erfüllt: "Meinungsbildung"!
Und außer den Auftraggebern meinen es alle ehrlich!

Freitag, 23. November 2012

Thielemanns Wagner-Buch

Ich lese momentan Christian Thielemann: "Mein Leben mit Wagner".

In musikalischen Dingen ist das Buch sehr interessant, in einigen anderen Punkten aber enttäuschend, weil bei kritischen Fragen etwas sehr "opportunistisch" oder sagen wir "vorsichtig", beispielsweise beim Thema Regietheater; er will es sich halt mit niemandem verderben und so möglicherweise irgendwo um ein Wagner- oder Strauss-Dirigat kommen. Er denkt sich wohl: Gegen den Wind des Feuilletons kann man nicht spucken. Interessanterweise verlassen ihn bei diesem Thema auch Berliner Humor und Ironie, die bei anderen Themen durchaus vorhanden sind.

Und natürlich ist er in der Frage von Wagners Antisemitismus ganz auf Linie. Damit meine ich: Auch er redet hauptsächlich von diesem Charaktermangel Wagners und sehr viel weniger von anderen, mindestens ebenso schwerwiegenden Defiziten: Dass er Freunde und Gönner reihenweise und schwerstens betrogen und hintergangen hat, wiegt aus heutiger Sicht offenbar viel weniger als sein Antisemitismus. Der war ja nun wirklich arg und wohl auch in manchen Äußerungen über das im 19. Jhdt. durchaus "übliche" Mass hinausgehend.

Und trotzdem: In der heutigen öffentlichen Moral gibt es offensichtlich nur eine einzige Todsünde, den Antisemitismus. Der  modern-elegante Umkehrschluss liegt nahe: Alle übrigen sozialen Schweinereien gegenüber Partner, Freunden, Kollegen etc. sind demnach durchaus verzeihlich, wenn man nur in jüdischen und israelischen Angelegenheiten auf Linie ist.

PC = moralischer Autopilot

PC (Political Correctness) ist laut Daniel Barenboim der "einfachste Weg, ohne Widerstand".

also quasi "moralischer Autopilot".

Alles, was ihr braucht zum Leben,
Kauft ihr fertig vom Regal.
Geradeso bezieht ihr eben
Auch Werte, Meinung und Moral.

Aus: Piri-Piri: MODERNE

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Donnerstag, 22. November 2012

Meistersinger (WA)

Gestern, 21.11.: Ein (für mich) wunderschöner Meistersinger-Abend in der StOp - diesmal ausnahmsweise von der Galerie mit guter Sicht auf die Wiederaufnahme der Schenk-Inszenierung (wenn ich mich vorbeugte).

Die Dame (S. Young) versteht ihr Handwerk - ich ordne sie in die FWM-Klasse ein: Universal-Kapellmeistertum mit Format.
Egal: Die Philharmoniker spielten, die wichtigen Sänger waren gut: J.Botha, J.Rutherford (neuer Sachs).
Da kann ein Dirigent kaum was kaputtmachen, außer die Musiker mögen ihn gar nicht.

Und natürlich wurde die wunderbare Inszenierung im Feuilleton als "Kostümschinken für ältere Semester" und "veraltet" heruntergemacht - obwohl oder weil sie dem überwiegenden Teil des Publikums gefallen hat.
"Verachtet mir die Meisten nicht und ehrt mir ihre Gunst"
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Auch meine 2. Vorstellung am 29.11. war gut, ja sogar etwas besser, Fr. Young ließ nicht mehr ganz so laut spielen, Fr. Carvin war nicht mehr ganz so schrill.

Sonntag, 18. November 2012

Tosca und Traviata


Der NEUE MERKER: 
Wiener Staatsoper : PACKENDE TOSCA-VORSTELLUNG MIT EMILY MAGEE UND FALK STRUCKMANN (16.11.2012)
Die Papierform verhieß Außerordentliches –und die 554. Reprise in der unverwüstlichen Inszenierung von Margarethe Wallmann (Ausstattung Nicola Benois) wurde tatsächlich eine packende Puccini-Vorstellung – trotz Absage von Startenor Neil Shicoff! Aber im Zentrum des Stückes steht ja der Konflikt zwischen Scarpia und Tosca. Und die waren beide exzellent besetzt. Mit dem grandiosen Falk Struckmann, der einen machtlüsternen, virilen Polizeichefs von Rom porträtierte und stimmlich aus dem Vollen schöpfte. Wirklich großartig war auch das Debüt von Emily Magee in der Titelrolle. Die hochgewachsene US-Sopranistin bietet für die Primadonnen-Rolle alles, was man als Opernfreund hören will: Lyrik und Dramatik, große Theatralik und hingebungsvolles Schmachten im Gebet; strahlende Höhen und pastose Töne in der Tiefe – sie gibt eine noch junge Tosca, die im dritten Akt zur Höchstform aufläuft. Und die sich in den Kostümen bestens ausnimmt, die einst von einer Tebaldi, Rysanek, Price oder Nilsson getragen wurden. Jedenfalls kann man sich nach dieser Tosca auf die Ariadne-Premiere freuen – für Puccinis Primadonnen sind die Ansprüche der Richard Strauss-Partituren offenbar ideal.
Als kompetenter Repertoire-Dirigent erwies sich übrigens Philippe Auguin, der einst bei Karajan und Solti „in die Lehre“ ging. Dritter im Bunde war der Tenor-Einspringer Aquiles Machado. Der junge Mann stammt aus Venezuela und hat schon 1996 als Sänger im Rosenkavalier im Haus am Ring debütiert. Er schien sehr nervös, stieß im zweiten Akt an seine dramatischen und im dritten Akt an seine lyrischen Grenzen. Wohlwollendes Gesamturteil: ein sympathischer Tenor mit Entwicklungspotential. Als Typ ein glaubhafter „latin lover“, als Sänger ein noch uneingelöstes Versprechen. Positiv aufgefallen sind auch Janusz Monarcha als seriöser Cesare Angelotti, Alfred Sramek als köstlicher Mesner und Benedikt Kobel als übereifriger Spoletta.
Der Staatsopern-Chor lieferte ein exzellentes 1.Akt-Finale, das Staatsopern-Orchester hielt sich an die Protagonisten und steigerte sich von Akt zu Akt. Zuletzt relativ kurzer, aber ehrlicher Jubel!
FK: Na ja, die Russen zog es halt alle schon heftig zu ihrem Wodka ………Hr. Machado fand ich nicht so schlecht, aber er ist auch gehandicapt durch sein Aussehen: Klein, mit großem Kopf und tief sitzenden, großen Ohren, deswegen gefiel er den beiden Damen neben mir wohl nicht so besonders! ;=)
Nun zur TRAVIATA, 17.11.12 -  Auch hier wieder die MERKER-Kritik:
… Es ist müßig jetzt noch zu fragen, warum diese langweilige und uninspirierte Inszenierung – ein richtiger Noteinkauf aus einem Sommerfestival der französischen Provinz – unserem Repertoire eine derartige Qualitätslast sein muß. Für das Jubeljahr hätte der angestaubte Schenk´sche Plüschzauber auch noch gereicht, in dem war wenigstens auch noch die Traviata enthalten. Natürlich muss unser Direktor immer wieder beteuern, dass er an dieser Arbeit von Jean-Francoise Sivadier Gefallen findet, wie sonst sollte er diesen Einkauf auch verteidigen.
 Die Staatsoper konnte früher aus dem Ensemble locker einen Alfredo besetzen, der mit der Weltklasse mithalten konnte. Der Name Giuseppe Zampieri stand da z.B. für eine solche Qualität, sein Einsatz als Ersatz für Größen wie etwa für einen di Stefano oder einen Corelli bot keinen allzu großen Qualitätsverlust für den Abend. Jetzt hat man einen Francesco Demuro für den Alfred und dieser hätte für seine gesangliche Leistung früher die Bezeichnung “Krawatteltenor” erhalten und genau so klingt er auch – und das zu unserem Leidwesen, weil in Zeiten, in welchen in den Direktionen dem Gesang, aus Unkenntnis oder Unvermögen, wie auch immer, offensichtlich weniger Bedeutung beigemessen wird, als etwa dem Einfluss des Regisseurs. Nun, Letzterem wurde mit einem schönen, entblößten Oberkörper des Tenors wohl genüge getan.
 Wenigstens konnten die Titelrollenträgerin und auch noch der Einspringer des Abends mit ihren Leistungen reüssieren. Ermonela Jaho benötigte etwas länger, um ihren breit geführten, dunklen Sopran vom gaumigen Beiklang zu befreien und ausdrucksstark zum klingen zu bringen und sie überzeugte auch, soweit das die Inszenierung zuließ darstellerisch. Giorgio Meoni, bekannter Gast als Kavaliersbariton in den meisten europäischen Opernhäusern konnte mit seiner kräftigen, gut geführten und höhensicheren, allerdings wenig farbigen Stimme überzeugen. Dass er im letzten Bild mit dem selben Anzug herumrennen muß wie beim Fest Floras ist ein falscher Spargedanke am Haus, oder soll das ganze doch nur eine miserable Opernprobe darstellen, deren Schlußszene einer Parodie entstammen könnte, in welcher statt des Zusammenbruchs Violettas plötzlich hinter ihr Annina zu Boden plumpst?
(FK: Nicht einmal ein Bett zum Sterben gönnte dieser „Regisseur“ der armen Violetta. Wie erbärmlich und armselig diese Inzenierungen, keinerlei Phantasie, und wenn, dann nur für ablenkende Mätzchen! –- Fr. Jaho fand ich ziemlich gut!)
Die Wiener Philharmoniker, überhaupt der weiche Klang ihrer Celli, überzeugten ebenso wie der Chor unter Thomas Lang, alle unter der routinierten Leitung von Bertrand de Billy. Im Graben, da findet noch Verdi statt.
FK: Und noch mehr Russen! Man sollte vor der Vorstellung den Handy-etc.-Hinweis statt auf Japanisch besser auf Russisch abspielen, denn die Japaner, die nach Wien kommen, können eher Englisch als die neureichen Russen!

Dienstag, 6. November 2012

Gut, besser, ???

"Würden die Christen doch nur erlöster aussehen, dann würde ich auch an ihren Erlöser glauben"

heißt es bei Nietzsche.

Wären die Gutmenschen nur bessere Menschen, würde ich mich eher von ihnen missionieren lassen.


Sonntag, 4. November 2012

Ostinato


In der letzten "Extra"-Beilage der Wiener Zeitung beschäftigten sich wieder fast alle Artikel direkt oder indirekt mit der Nazi-Zeit - in der Tendenz natürlich alle über einen Leisten geschlagen.
Mein Leserbrief:
"Haben die jungen HistorikerInnen denn wirklich kein anderes Thema als die ewigen 1000-Jahre? Freilich, wenn Sie nur Rathkolb- und Grigat-Schüler zu Wort kommen lassen, kann man nichts anderes erwarten. Sogar der Foto-Historiker Holzer musste ja diesmal ein Hitler-Foto beisteuern, obwohl er auf frühere Perioden spezialisiert ist.
Was und wen wollen Sie mit diesem „ostinato“  erreichen? Jene, die die Botschaft bisher nicht verstanden haben, werden sie auch in Zukunft nicht verstehen und die Jugend interessiert sich längst nicht mehr dafür und wenn, dann nur in der Form von 'pulp faction' . Es ist nichts als wissenschaftliche und mediale Selbstbefriedigung, mit der man allerdings Ehre einlegt und keinen Widerspruch fürchten muss."