Donnerstag, 29. Dezember 2016

Instanzen

"....auf wen soll man sich verlassen, wenn es darum geht, zu entscheiden, was lobenswert ist? Ich habe meine eigenen Gesetze und meinen eigenen Gerichtshof, vor dem ich mich beurteile; und ich wende mich mehr an ihn als an andere. Ich beschränke mich in meinen Handlungen nach äußerlicher Rücksicht; ich be­gehe sie nur nach meinem Urteil.  Ich dulde keine Rechtsansprüche auf mein Innenleben.
Das ist ein vortreffliches Leben, das bis ins verborgene  Innere seine Ordnung bewahrt. Jeder kann in der Posse  mitspielen und einen anständigen Menschen auf die Bühne  stellen, aber drinnen und in unserer Brust, wo uns alles er­laubt ist, wo alles verborgen ist: dort mit sich im reinen sein, darauf kommt es an.  Die nächste Stufe ist, in seinem Hause Ordnung zu halten, in seinen Alltagshandlungen, über die wir niemandem Rechenschaft schulden, in denen es keine Verstellung und keine Künstelei gibt." 
Montaigne
"Ich bin mein eigenes Gesetz, meine eigene Autorität."
Franzl Wokurka, zitiert von P. Watzlawick


Tuo tibi iudicio est utendum.  
Cicero.
"Wie fang ich's nach der Regel an? Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann!"
R. Wagner, Meistersinger


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Zeit meines Lebens bestimmten übergeordnete Instanzen mein Handeln, Denken und Fühlen, weil ich von deren Bewertungen abhängig war.  Ex post, heute und in Zukunft erkenne ich als bewertende und verpflichtende Obrigkeiten nur mehr an (in der Reihenfolge des Auftretens):
  • meine verstorbene Mutter
  • mich selbst, so lange ich (bei klarem Verstand) lebe.
  • meine verstorbene Frau
  • meine Katze, so lange sie lebt;=)
Natürlich füge ich mich in die Konventionen meiner Umgebung, um das Zusammenleben nicht zu erschweren, die Harmonie nicht zu stören, die gegenseitige Achtung nicht zu verletzen. Aber in diesem Rahmen handle und denke ich frei und unbeschwert von den alten Richtlinien. Ich missioniere nicht und lasse mich nicht missionieren.  Ich rechtfertige mich nicht (mehr).
Den mir Nahestehenden will ich Gutes tun, soweit es in meiner Macht steht oder zumindest Schlechtes von ihnen abwenden. Ich will die Welt nicht verbessern (oder gar retten), sie aber auch nicht verschlechtern. Der finalen Unterjochung durch das Geriatrie-Imperium entgeht sowieso kaum einer. Alles endet einmal, auch die Freiheit. Jedoch, wenigstens die
"Gedanken sind zollfrei, aber man hat doch Scherereien." (Karl Kraus)
"Das Schwerste ist: Sich nicht zu rechtfertigen." (F. Dürrenmatt)

Siehe auch-----> ttp://kumpfus.blogspot.co.at/2008/01/grbel.html ------------------------------------------------------

Dazu noch ein Zitat von Martin Walser:
"Hegel liefert diesem Selbstbewusstsein in seiner ‘Phänomenologie des Geistes‘  die Analyse: Das Selbstbewußtsein durch Anerkanntsein. Das Selbstbewusstsein des Herrn existiert „nur als ein Anerkanntes“. Erst der Knecht macht den Herrn zum Herrn. Was der Knecht tut, ,,ist eigenes Tun des Herrn“."
und eines von Schopenhauer:
"Diesertwegen wird es zu unserm Glücke beitragen, wenn wir beizeiten die simple Einsicht erlangen, daß jeder zunächst und wirklich in seiner eigenen Haut lebt. nicht aber in der Meinung anderer, und daß demnach unser realer und persönlicher Zustand, wie er durch Gesundheit, Temperament, Fähigkeiten, Einkommen, Weib, Kind, Freunde, Wohnort usw. bestimmt wird, für unser Glück hundertmal wichtiger ist, als Was es andern beliebt, aus uns zu machen."

Wörter

"Trenne die Wörter von von ihrer Bedeutung, und die Welt gehört dir."

Donna Leon

Dienstag, 27. Dezember 2016

Was will'st...

...du armes Würstel?

...steht dem N. ins Gesicht geschrieben. 
Und er hat auch recht, denn auf seiner Seite ist die wirkliche MACHT.

Sonntag, 25. Dezember 2016

Erklärungsnotstand

Weil wir uns Welt und Sein nicht erklären können, denken wir sie uns ungemein kompliziert. Wahrscheinlich ist aber alles ganz einfach.....

Donnerstag, 22. Dezember 2016

Aphorismen

"Einer, der Aphorismen schreiben kann, sollte sich nicht in Aufsätzen zersplittern."
Karl Kraus 
"Aphorismen sind vielleicht der beste Weg, um philosophischeÜberzeugungen darzulegen. Ein Philosoph, der darauf ausgeht,ein ganzes kompliziertes System zu entwickeln, ist zuweilen un-freiwillig nicht mehr ganz aufrichtig. Er wird der Sklave seinesSystems, dessen Symmetrie zuliebe er oft bereit ist, die Wahrheitzu opfern." 
Leo Tolstoi

"Ich denke mir: über kurz oder lang werden die Menschen dazukommen, mit Ausnahme der rein berichtenden Erzählung allesin Aphorismen zu schreiben."

Samuel Johnson

Siehe auch↠ http://kumpfus.blogspot.co.at/2008/01/warum-berhaupt-epigramme.html

Donnerstag, 15. Dezember 2016

Manipulationen

"....Manipulationen im Gewand der Nachricht..."

Wolf Schneider.

Vermessung

".....der weiß, dass die Menschen
vor dreitausend Jahren genauso intelligent waren wie
unsereins. Gewiss, sie waren weniger informiert als wir
Heutigen, aber blöd waren sie nicht. Um die Welt zu
verstehen, haben die Menschen damals die Welt nicht ge-
messen, sie haben sie erzählt. Das ist nicht falsch, das ist
bloß anders, und das tun heute noch die Dichter und die
Denker. Die sechs Arbeitstage Gottes in der biblischen
Geschichte waren für die damaligen Menschen die Glie-
derung einer wichtigen Erzählung und die Begründung
einer den Rhythmus der Zeit prägenden Siebentagewoche.
Wir können getrost davon ausgehen, dass niemand
damals davon ausging, Gott habe genau 144 Stunden
durchgearbeitet und dann genau 24 Stunden Pause ge-
macht. Wenn Menschen heute dazu neigen, bloß alles
Messbare wichtig zu finden, dann müssen wir diesen
Fimmel nicht auch den Menschen anderer Zeiten unter-
stellen."

M. Lütz

http://kumpfuz.blogspot.co.at/search?q=Allegorie

Freitag, 9. Dezember 2016

Übermut

"Der Übermut der Ämter" nimmt  zwar langsam - und keineswegs freiwillig - aber doch stetig ab. Dafür steigt die Hybris der Software-Lieferanten (Google, Microsoft etc.) unaufhörlich. Da die einzige Alternative völlige IT-Enthaltsamkeit wäre, müssen wir es zähneknirschend ertragen.
Quo usque tandem?

Dienstag, 6. Dezember 2016

Populisten

Die Populisten geben vor,auf das Volk zu hören,
die übrigen Politiker behaupten, von den Medien unabhängig zu sein,
welche ihrerseits fast durch die Bank beteuern, unabhängig zu sein.

Samstag, 3. Dezember 2016

Werner Krauß über Regisseure

Noch etwas über Regisseure? 
Die besten sind die guten Handwerker. Sie kommen aus dem Schauspielerstand, sie können richtig schnell was vormachen - und schon weiter. Nicht reden und spintisierenl Das sind für mich die besten gewesen, die einfach sagen: »Weißt du: so und so«. Sie müssen auch Menschenkenner sein, dann geht das ganz schnell.   
 Und die anderen - das ist ein Jammer! Ich glaube und ich hoffe, daß eine Regisseur-Dämmerung einsetzt und daß die Schauspielerzeit wiederkommt. Die meisten Schauspieler, die so zehn und zwanzig Jahre bei Reinhardt waren, die konnten dann später nirgends mehr arbeiten, weil sie so abhängig wurden von ihm - das war gar nicht gut, zu lange und zu willig bei ihm zu sein. 

W. Krauß

Die Sprache

"Die Sprach’ soll uns auch auszeichnen vor die Tier’‚und mancher zeigt grad durch das, wann er red’t, was er für a Vieh is."
J. Nestroy
_______________________________________

Und von Chr. Morgenstern stammen diese Sätze:
Oft überfällt dich plötzlich eine heftige Verwunderung über ein Wort: Blitzartig erhellt sich dir die völlige Willkür der Sprache, in welcher unsere Welt begriffen liegt, und somit die Willkür dieses unseres Weltbegriffes überhaupt.

Erst das Wort reißt Klüfte auf, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Sprache ist in unsere termini zerklüftete Wirklichkeit. 
Man meint mit der Sprache die ganze Welt in seiner Gewalt zu haben. Und doch habe ich oft das Gefühl, als wären die Worte nur Knoten eines weitmaschigen Netzes, das wir über die Welt werfen. Ach, wieviel entschlüpft uns doch durch diese weiten Maschen. Man beobachte nur einmal, wie viele Geräusche sich jeder wirklich genauen Bezeichnung durch ein Wort entziehen. Man belausche die Brandung der See: Man wird nicht alles, was man hört, ausdrücken können. In »rauschen« z. B. ist nicht das hohle Gedröhn enthalten, das die aufschlagenden Wogen verursachen. In »donnern« wieder nicht ihr »Geräusch«.





Mittwoch, 30. November 2016

Philosophie-Kondensat

W

Wie alles wirklich ist, weiß keiner.


Was lebt, stirbt.

Was warist;  ist auch, was sein wird?

Dienstag, 22. November 2016

Weda

Di sun is ma zhaas
und da reng is ma znos
und di ködn
fadrog i scho goaned
fo miaraus brauchads
iwahaupt ka weda gem.
Ernst Kein. 

Mitmenschen

"So richtig gut vorgespannte Mitmenschen stellen sich mindestens eine Nacht an, um das neuste iPhone zu ergattern. Andere, um die Chance auf ein bisschen sauberes Wasser und etwas zu Essen."
 "Die die am meisten von Gewissen und Geboten reden, haben das wenigste davon und daran halten sich nur die anderen."

Karl Schmied

Sonntag, 20. November 2016

Das Vergangene

"Das Vergangene ist nicht tot,
es ist nicht einmal vergangen."


William Faulkner

Donnerstag, 10. November 2016

Pflicht

"Es ist Pflicht , DAS GUTE ZU TUN, DAS MAN TUN KANN, nicht aber alles Unglück in der Welt aufzuheben, da dazu kein einzelner die Macht hat: Hätte er sie, so wäre auch dies Pflicht. Die Pflicht geht grade so weit als die Kraft."
A. Schopenhauer
"Einen Menschen zu retten bedeutet, die Welt zu retten"
Altes jüdisches Sprichwort

Montag, 7. November 2016

Harvey

„Ich habe 40 Jahre mit der Wirklichkeit gekämpft. Ich bin glücklich sagen zu können, dass ich sie schließlich überwunden habe”

Elwood P. Dowd (Mein Freund Harvey)

Donnerstag, 3. November 2016

Wortlose Gegenwart

Und hier liegt die endgültige Paradoxie. Wer immer versuchte, das Erlebnis der ewigen Gegenwart in Worte zu kleiden, fand, daß Worte dafür unzureichend sind. 
»Der Sinn, den man ersinnen kann, ist nicht der ewige Sinn; der Name, den man nennen kann, ist nicht der ewige Name« 
schrieb Laotse vor 2 500 Jahren. Als Meister Shin-fou gefragt wurde, was der letzte Inhalt des Buddhismus sei, antwortete er: 

»Ihr werdet ihn nicht verstehen, solange ihr ihn nicht habt.« 
Wenn man ihn aber einmal erfaßt hat, bedarf er offensichtlich keiner Erklärung mehr.

P. Watzlawick

Sonntag, 30. Oktober 2016

Lechts und rinks

Die sozialistische Bewegung hat ihren Ursprung in intellektuellen Kreisen und endet nach einer längeren Affäre mit der Arbeiterbewegung sowie einer Namensänderung auch genau wieder dort.

Was für die Linken außerhalb Ihrer Vorstellungskraft liegt: Die meisten der "Rechtswähler" haben mit der rechten Ideologie gar nichts am Hut. Sie haben nur die Schnauze voll von den Linken (und Grünen) mit ihren Moralpredigten, hinter denen eine eklatante "Abschlußschwäche" im politischen Alltag steckt. Sie predigen Leitungswasser und trinken Perrier.

Und sie begreifen auch nicht, dass aus Gut Böse werden kann, wenn es zu viel und zu schnell kommt.


Medienschelte

Politiker schelten ist sowohl Massen- wie Profisport und vor allem darum allseits beliebt, weil ihn jeder ohne Training und gefahrlos ausüben kann. Die Schelte für die Medien, die an dem ganzen Schlamassel (wenn es denn eines ist) zumindest mitschuldig sind, gilt aber als verpönt - verpönt von den Medien selbst, die sich in gewohnter Weise von jeder Mitschuld selbst absolvieren. Und außerdem haben sie ja eh immer das letzte Wort in allen Belangen. Der irreparable Vertrauensverlust betrifft aber die Medien genau so wie die Politik und zwar ziemlich genau seit dem vorletzten Sommer: Da mussten  die Bürger fassungslos zusehen, wie Massen von Menschen unkontrolliert und mehr oder weniger unbehelligt von allen staatlichen Organen in das Land strömten und die Medien dazu nichts anderes zu bieten hatten als salbungsvolle Moral-Episteln und selbstgerechte Menschlichkeits-Fanfarenklänge. Da wurde selbst dem bildungsfernsten Bürger klar, dass die maßgeblichen Medien das Sprachrohr der Eliten sind und die Politiker ihre Tanzbären.  Und selbst der Dümmste macht sich seinen Reim darauf, dass nach Jahresfrist die Politik genau die Maßnahmen setzen muss, die damals von "Hetzern" gefordert wurden.

Samstag, 29. Oktober 2016

Widerstreit der Ideen von Raum und Zeit

Tang vom Hause Yin fragte Gi von Hia: „Gab es am Urbeginn eine Welt?“ Gi von Hia sprach: „Wenn es am Urbeginn keine Welt gegeben hätte, wie könnte es dann heute eine Welt geben? Da könnten die Menschen in Zukunft auch behaupten, daß es heute keine Welt gebe.“ Tang von Yin fragte: „Dann gibt es also in der Welt kein Vorher und kein Nachher.“ Gi von Hia sprach: „Ende und Anfang sind nicht fest begrenzt. Jeder Anfang kann als Ende gesehen werden, jedes Ende kann als Anfang genommen werden: Wie soll ich ihren Verlauf erkennen können? Was jenseits der Welt liegt, was vor den Erscheinungen ist, ist etwas, was ich nicht erkennen kann.“ Tang von Yin fragte: „Gibt es dann im Raum eine äußere Grenze und letzte einfache Teile?“ Gi von Hia sprach: „Das weiß ich nicht.
Tang fragte dringender. Gi antwortete: „Wenn es einen leeren Raum gibt, dann hat er keine Grenzen, wenn es nur erfüllten Raum gibt, dann hat er letzte einfache Teile. Wie kann ich dies erkennen? Man kann jenseits der Grenzen des Leeren sich noch einmal ein grenzenlos-grenzenloses Leere denken, innerhalb der unendlich kleinen Teile noch einmal unendlich-unendlich kleine Teile. Da jenseits des Grenzenlosen wieder ein grenzenloses Grenzenloses und innerhalb des unendlich kleinen wieder ein unendlich-unendliches Kleines ist, so kann ich mir vorstellen, daß es keine Grenzen und keine letzten einfachen Teile gibt, mir nicht aber vorstellen, daß es Grenzen und einfache Teile gibt.“ Tang fragte abermals und sprach: „Und wie ist es jenseits der vier Meere?“ Gi sprach: „So wie hier bei uns.“ Tang fragte: „Wie willst du das beweisen?“ Gi sprach: „Wenn ich nach Osten gehe, komme ich nach Ying. Dort sind die Leute wie hier. Wenn ich frage, wie es östlich von Ying ist, ist es dort wie in Ying. Gehe ich nach Westen, komme ich nach Bin. Dort sind die Leute wie hier. Wenn ich frage, wie es westlich von Bin ist, ist es dort wie in Bin. Daher weiß ich, daß es jenseits der vier Meere, jenseits der vier Wüsten, jenseits der vier Pole nicht anders ist als hier. Weil immer ein Größeres das Kleinere in sich schließt, gibt es kein Ende und keine Grenzen. Es gibt etwas, was die Natur in sich faßt, wie es auch etwas gibt, was die Welt in sich faßt. Weil es etwas gibt, was die Natur in sich faßt, gibt es kein Ende. Weil es etwas gibt, was die Welt in sich faßt, gibt es keine Grenze. Wie kann ich wissen, ob es um unsere Welt herum nicht noch eine größere Welt gibt? Anderseits übersteigt das auch das Wissen. Daraus folgt, daß die Welt auch zur Natur gehört Die Natur aber ist unvollkommen.“ 


Nach rund eineinhalb Jahrtausenden nähert sich die Wissenschaft wieder diesen 

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Erkenntnis

"Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben"
Franz Kafka.

Aber keine Panik: Der Weg zieht sich noch. Hoffentlich.

Dienstag, 25. Oktober 2016

Privat

Es fällt auf, dass die Aufenthalte der Züge der privaten WESTBAHN in den Stationen deutlich kürzer sind als bei den ÖBB. Könnte es daran liegen, dass letztere immer erst bei der Gewerkschaft anfragen müssen, ob sie losfahren dürfen?

Gleichberechtigung

Altösterreich. 
Kohn zum Starosten seiner Stadt: „Sie sagen, die Juden hier sind gleichberechtigt. Das stimmt aber nicht!"
»Wie können Sie so etwas behaupten! Schauen Sie sich  den tüchtigen Dr. Schönfeld an, wie großartig er Karriere gemacht hat!«
»Nu - was hat das mit der Gleichberechtigung zu tun? Gleichberechtigt sind die Juden erst, wenn auch jüdische Dummköpfe Karriere machen können!« 
Gilt das auch für die Frauen?

Samstag, 22. Oktober 2016

Partygespräch

„Herr Doktor, Sie als Fachmann für Psychoanalyse werden die Frage, die wir diskutieren, sicher beantworten können. Was meinen Sie: Wenn van Gogh psychoanalysiert worden wäre, hätte er sich dann sein Ohr nicht abgeschnitten?"
“Oh doch! Aber er hätte gewußt, warum."

Freitag, 21. Oktober 2016

Intoleranz

"Im Namen der Toleranz sollten wir daher das Recht beanspruchen, die Intoleranz nicht zu tolerieren."

Karl Popper

Montag, 17. Oktober 2016

Religion und Glaube

 "...diese unsere Auffassung von Religion hat nur noch
herzlich wenig zu tun mit konfessioneller Engstirnigkeit und de-
ren Folge, religiöser Kurzsichtigkeit, die in Gott anscheinend ein
Wesen sieht, das im Grunde nur auf eines aus ist, und das ist:
daß eine möglichst große Zahl von Leuten an ihn glaubt, und
überdies noch genau so, wie eine ganz bestimmte Konfession es
vorschreibt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Gott so
kleinlich ist. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, daß es sinn-
voll ist, wenn eine Kirche von mir verlangt, daß ich glaube. Ich
kann doch nicht glauben wollen - ebensowenig wie ich lieben
wollen, also zur Liebe mich zwingen kann, und ebensowenig,
wie ich mich zur Hoffnung zwingen kann, nämlich gegen besse-
res Wissen. Es gibt nun einmal Dinge, die sich nicht wollen las-
sen - und die sich daher auch nicht auf Verlangen, auf Befehl
herstellen lassen. Um ein einfaches Beispiel beizubringen: ich
kann nicht auf Befehl lachen. Wenn jemand will, daß ich lache,
dann muß er sich schon bemühen und mir einen Witz erzählen.
Und analog verhält es sich auch mit der Liebe und dem Glau-
ben; sie lassen sich nicht manipulieren. Als intentionale Phäno-
mene, die sie sind, stellen sie sich vielmehr erst dann ein, wenn
ein adäquater Inhalt und Gegenstand aufleuchtet.
Eines Tages wurde ich von einer Reporterin des amerikani-
schen Time-Magazins interviewt, und die Frage war, ob der
Trend von der Religion wegführt. Ich sagte, der Trend führe
nicht von der Religion weg, sehr wohl aber von jenen Konfessio-
nen, die anscheinend nichts anderes zu tun haben, als gegenein-
ander zu kämpfen und sich gegenseitig die Gläubigen abspenstig
zu machen. Nun fragte mich die Reporterin, ob dies heißt, daß
es früher oder später zu einer uníversalen Religion kommen
wird, was ich aber verneinte: im Gegenteil, sagte ich, wir gehen
nicht auf eine universale, vielmehr auf eine personale - eine zu-
tiefst personalisierte Religiosität zu, eine Religiosität, aus der
heraus jeder zu seiner persönlichen, seiner eigenen, seiner ur-
eigensten Sprache finden wird, wenn er sich an Gott wendet.
Dies bedeutet selbstverständlich noch lange nicht, daß es keine
gemeinsamen Rituale und Symbole geben wird. Gibt es doch
auch eine Vielzahl von Sprachen - und doch: gibt es nicht für
viele unter ihnen ein gemeinsames Alphabet?
So oder so, in ihrer Verschiedenheit gleichen die verschiedenen
Religionen den verschiedenen Sprachen: niemand kann sagen,
daß seine Sprache den anderen überlegen ist - in jeder Sprache
kann der Mensch an die Wahrheit herankommen - an die eine
Wahrheit -, und in jeder Sprache kann er irren, ja lügen. Und
so kann er denn auch durch das Medium jeder Religion hindurch
zu Gott finden - zu dem einen Gott.
Es fragt sich nur, ob sich überhaupt von Gott und nicht viel-
mehr nur zu ihm sprechen läßt. Den Satz von Ludwig Wittgen-
stein: „whereof one cannot speak, thereof one must be silent“ --- wovon man nicht sprechen kann, davon muß man schweigen -- können wir ja nicht nur aus dem Englischen ins Deutsche, sondern auch aus dem Agnostischen ins Theistische übersetzen - von dem man nicht sprechen kann, zu dem muß man beten.
Heute wenden sich Patienten an den Psychiater, weil sie am
Sinn ihres Lebens zweifeln oder gar daran verzweifeln, einen Le-
benssinn überhaupt zu finden. Eigentlich brauchte sich aber
heute niemand über Mangel an Lebenssinn zu beklagen; denn
er braucht nur seinen Horizont zu erweitern, um zu bemerken,
daß zwar wir uns des Wohlstands erfreuen, andere aber im Not-
stand leben; wir erfreuen uns der Freiheit; wo aber bleibt die
Verantwortlichkeit für die anderen? Vor Jahrtausenden hat sich
die Menschheit zum Glauben an den einen Gott durchgerungen:
zum Monotheismus - wo aber bleibt das Wissen um die eine
Menschheit, ein Wissen, das ich Monanthropismus nennen
möchte? "

P. Watzlawik

Pädagogik

Der Vater: »Moritzl, laß dir nix einreden! Du mußt dir immer darüber klar sein, daß Geld allein nicht glücklich macht: Man muß es auch haben‘.« 
Aus S. Landman, Jüdische Witze-Nachlese

Sonntag, 2. Oktober 2016

Die Herrschaft der Sklaven

Gerade im Hinblick auf die Rolle der Kommunikation in der nahen Zukunft zeichnen sich viel konkretere Probleme ab, die freilich angesichts jener globalen an Bedeutung
zu verblassen scheinen. Eines dieser Probleme versteckt sich in Lord KELVINs prägnantem Ausdruck: Everything that exists, exists in a quantity and can, therefore, be measured. Damit wurde er sozusagen zum Wortführer des (freilich schon lange
vor ihm bestehenden) Glaubens an die Quantifizierbarkeit unserer Welt und, damit verbunden, an die endgültige Ausmerzung alles Unlogischen und Irrationalen. 
Der moderne Computer scheint diese Hoffnung an die Schwelle ihrer Verwirklichung gebracht zu haben. Der zukünftige Einfluß der EDV auf die Struktur unserer Gesellschaft läßt sich derzeit auch nicht annähernd ermessen; bereits sichtbar aber sind die ersten Symptome dieser Entwicklung, die der rumänische Schriftsteller VIRGIL GHEORGHIU schon 1950 beschrieb:
„Eine Gesellschaft, die sich aus Millionen von Millionen mechanischer Sklaven und bloß 2000 Millionen Menschen zusammensetzt, wird - wenn sie auch von den Menschen beherrscht wird - die Eigenschaften ihrer proletarischen Mehrheit haben......Die mechanischen Sklaven unserer Zivilisation behalten diese Eigenschaften bei und leben gemäß den Gesetzen ihrer Natur..... Um seine mechanischen Sklaven verwenden zu können, muß der Mensch sie verstehen lernen und ihre Gewohnheiten und Gesetzmäßigkeiten nachahmen. [...] Eroberer übernehmen, wenn sie zahlenmäßig den Eroberten unterlegen sind, die Sprache und Gewohnheiten der beherrschten Nation, sei es der Einfachheit halber, oder aus anderen praktischen Gründen - und dies, obwohl sie die Herren sind. Derselbe Prozeß ist in unserer eigenen Gesellschaft im Gange, obwohl wir ihn nicht wahrhaben wollen. Wir lernen die Gesetzmäßigkeiten und den Jargon unserer Sklaven, um ihnen Befehle geben zu können. Und langsam und unmerklich verzichten wir auf unsere menschlichen Eigenschaften und unsere Gesetze. Wir entmenschlichen uns, indem wir die Lebensgewohnheiten unserer Sklaven annehmen. Das erste Symptom dieser Dehumanisierung ist die Mißachtung des Menschlichen.“
Wer erst als Erwachsener diese »neue Welt aus Null und Eins«
(KREUZER 1985) betrat, dürfte aus seiner Vergangenheit noch
genügend Immunität gegen jene Infektionen mitgebracht ha-
ben, denen man in der Kommunikation mit dem Genossen
Computer ausgesetzt zu sein scheint. Doch bereits auch unter
der erwachsenen Bevölkerung des globalen »Silicon Valley«  -
ob es sich nun um Mathematiker, Physiker, Ingenieure, Infor-
matiker oder andere EDV-Spezialisten handelt - beginnen sich
merkwürdige Persönlichkeitsveränderungen abzuzeichnen,
deren gemeinsamer Nenner die Unwilligkeit oder sogar Unfä-
higkeit ist, mit den ››unvernünftigen«, also unlogischen, irratio-
nalen, emotionalen Aspekten des menschlichen Zusammenle-
bens - auch, oder sogar besonders im rein persönlichen Bereich
und der Intimsphäre - fertigzuwerden. Ganz ernsthaft sehnen
diese Menschen leuchtenden Auges den Tag herbei, da endlich
alles ››Analoge« (wie es in ihrer Sprache heißt) ausgemerzt und
Welt und Menschen in den Begriffen der objektiven, »digita-
len« Logik erfaßt sein werden. Die Digitalisierung wird so zur
modernen Vision eines irdischen Paradieses.
Von dieser Entwicklung ist zu befürchten, daß sie lawinen-
artig zunehmen wird, wenn einmal die heute Acht- oder Zehn-
jährigen das Erwachsenenalter erreichen - was uns ziemlich ge-
nau zum Anbruch des dritten Milleniums bringt. Die Welt dieser
Kinder ist, wenigstens in den USA, bereits weitgehend digitali-
 siert. Damit soll gesagt sein, daß der Heimcomputer (und,
nicht zu vergessen, die Violenz der auf ihm abrufbaren elek-
tronischen Spiele) heute in Hunderttausenden von Familien
bereits das wichtigste Spielzeug geworden ist, und daß diese
Kinder daher lernen, mit einer seelenlosen Maschine zu kom-
munizieren und sich auf ihre Erfordernisse einzustellen, wäh-
rend früher das erste nicht rein familiäre Bezugsobjekt eine
Katze oder ein Hund gewesen sein mag. Wie subtil diese Ver-
kümmerung ist und wie leicht sie das Weltbild eines Kindes
beeinflussen kann, legt ein an sich unbedeutendes Beispiel
nahe: Nicht nur nimmt der Taschenrechner diesen Kindern die
Notwendigkeit der vorstellungsmäßigen Erfassung der Zahlen-
welt ab, sondern die Digitaluhr läßt das Bild eines zeitlichen
Ablaufs nicht mehr zur Ausbildung kommen, das die altmodi-
schen (Analog-)Uhren durch die Bewegung der Zeiger vermit-
telten. Die Bedeutung der Zeitangabe ››10 Minuten vor 12« ist
daher vielen dieser Kinder bereits unverständlich, ganz zu
schweigen von der Verwendung des Zifferblatts als Richtungs-
angabe z. B. in der Navigation oder Raumorientierung. (Dies
soll nicht heißen, daß die Vorstellung der Zeit als eines kreis-
förmigen Ablaufs per se besondere Wichtigkeit habe; das Bei-
spiel soll nur zeigen, wie sich subtile Änderungen im Weltbild
unzähliger Menschen durch den Gebrauch von Gegenständen
des Alltagslebens ergeben können.)
Ein weiteres bereits unübersehbares Symptom unserer
kommunikativen Zukunft sind die Folgen der Informations-
Überschwemmung auf allen Gebieten. Die technischen Mög-
lichkeiten der Speicherung und daher auch der sofortigen Ver-
fügbarkeit von Information haben Ausmaße erreicht, von
denen wir Laien uns auch keine annähernde Vorstellung ma-
chen können. Hierzu ein Berufener, nämlich der Philosoph
JÜRGEN MITTELSTRASS (1986):
„Derzeit ist viel, vor allem in Politikermunde, von einer Informationsgesellschaft die Rede, zu der die bürgerliche Gesellschaft aufgebrochen sei. Mit diesem Schlagwort garniert man die Medienpolitik und die Vorstellung von einer technologischen Zukunft, in der sich die gesellschaftlichen Rationalitäten vornehmlich nach den Einfällen der Ingenieure richten sollen. Was dabei [. . .] übersehen wird, ist die Opposition von Information und Wissen, der Umstand nämlich, daß sich Information an die Stelle von Wissen zu setzen sucht und damit einer Art neuen Oberflächenexistenz das Wort redet. Während Wissen Gegensatz von Dummheit ist, gilt dies von Information nicht in allen Fällen. Gemeint ist: Wir durchschauen immer weniger, was uns in Form von Informationen zur Verfügung steht. [. . .] Wissen kann man sich nur als Wissender aneignen, Informationen muß man glauben.“
.... Weit mehr als es die Propagandaministerien totalitärer Staaten bis-
her fertiggebracht haben, erzeugt das Fernsehen eine freiwillige Unterwerfung und Gleichschaltung des Denkens und Fühlens, wie sie in der Geschichte der Menschheit wohl einmalig dasteht - nicht weil die Menschen früherer Epochen vielleicht
immuner waren, sondern weil die moderne Technologie zur Vertrottelung und Verrohung von Millionen von Individuen noch nicht bestand. Erst das Fernsehen lehrt uns, wie wir sprechen, handeln und uns kleiden sollen, welche Probleme der elegante, moderne Mensch haben darf, und wie er mit ihnen (meist gewalttätig) fertig werden kann. Auch hierzu nur ein Zitat aus berufener Quelle, nämlich aus NEIL POSTMANs (1985) Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“:

„HUXLEY hat gezeigt, daß im technischen Zeitalter die kulturelle Ver-
wüstung weit häufiger die Maske grinsender Betulichkeit trägt als die
des Argwohns oder des Hasses. In HUXLEYS Prophezeiung ist der
Große Bruder gar nicht erpicht darauf, uns zu sehen. Wir sind darauf
erpicht, ihn zu sehen. Wächter, Gefängnistore oder Wahrheitsmini-
sterien sind unnötig. Wenn ein Volk sich von Trivialitäten ablenken
läßt, wenn das kulturelle Leben neu bestimmt wird als eine endlose
Reihe von Unterhaltungsveranstaltungen, als gigantischer Amüsier-
betrieb, wenn der öffentliche Diskurs zum unterschiedslosen Geplap-
per wird, kurz, wenn aus Bürgern Zuschauer werden und ihre öffent-
lichen Angelegenheiten zur Varieté-Nummer herunterkommen, dann
ist die Nation in Gefahr - das Absterben der Kultur wird zur realen
Bedrohung.“

Die grenzenlose Verkümmerung all dessen, was jahrtau-
sendelang für die Vornehmsten Eigenschaften und Möglichkeiten des Menschen galt, hinterläßt das schon eingangs erwähnte Gefühl der Leere und der vagen Bedrohung, und gibt Anlaß zu meist hilf- und planlosen Versuchen, diese Leere irgendwie zu
füllen…… Bei näherem Hinsehen erweisen sich die wunderbaren ›Ideen‹ 
der modernen Weltbeglücker praktisch ausnahmslos als bereits in früheren
Epochen verkündet, bald aber als nutzlos, wenn nicht gar unmenschlich erkannt und verworfen. Plus ça change, plus c'est la même chosesagt die Weisheit des Sprichworts. Auch in dieser Hinsicht wäre also die ganze Information verfügbar, aber ihre bloße Verfügbarkeit ist eben nicht gleichbedeutend mit Wissen……

Leben entwickelt sich bekanntlich in kleinsten Schritten, während alle großen Änderungen katastrophisch sind. Auch im Leben des einzelnen scheint es nicht anders zu
sein: Es sind kleine Schritte, nicht selten sogar unvorhergesehene Zufallsereignisse, die zum Ausgangspunkt wichtiger Neuentwicklungen werden können…… 
Aber nur wenige Dinge erzeugen rascheren Widerstand und moralische Entrüstung, als
eben eine Philosophie der kleinsten Schritte, wie sie schon KARL POPPER empfiehlt. 
Und mit ihm kommt einem auch der Philosoph ROBERT SPAEMANN in den Sinn, der den Mut hat, darauf zu verweisen, daß die einzig humane Definition des
Friedens nur eine negative, nämlich die Abwesenheit von Gewalt, sein kann, und daß jede positive Definition eo ipso zu Gewalt und Unmenschlichkeit führen muß. 
Die für viele Idealisten und Ideologen allzu bittere Pille ist: 
Wer das summum bonum anstrebt, setzt damit auch schon das summum malum.

P. Watzlawik
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"Sie eilen zur Untertänigkeit".
Racine, Britannicus.




Dienstag, 27. September 2016

Das Vorübergehende

Was der Zufall von außen bringt, ist nur vorübergehend. Das Vorübergehende soll man nicht abweisen, wenn es kommt, und nicht festhalten, wenn es geht. Deshalb soll man nicht um äußerer Auszeichnung willen selbstsüchtig in seinen Zielen werden, noch um äußerer Not und Schwierigkeiten willen. Dann ist unsere Freude die gleiche im Glück und Unglück, und man ist frei von allen Sorgen. Heute aber verlieren die Leute ihre Freude, wenn das Vorübergehende sie verläßt. Von diesem Gesichtspunkt aus sind sie auch in ihrer Freude immer in Unruhe. 
Djuang Dsi

Montag, 26. September 2016

Schon wieder Gutmenschen-Hetze



E"s kommt dazu, daß diese Flachdenker die Menschlichkeit, Moral und Gerechtigkeit für sich gepachtet haben. Welcher Mensch guten Willens wäre nicht bereit, sich vorbehaltlos solch zündenden Parolen wie klassenlose Gesellschaft, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und dergleichen zu verschreiben? Die Ernüchterung kommt für die meisten zu spät."
P.Watzlawick

Donnerstag, 22. September 2016

Konsequenzmacherei

Zu Richard Wagner: 
"Wer wollte bezweifeln, daß es nach Auschwitz schwer fällt,
bei den Exzessen, die in Cosimas Tagebüchern festgehalten
sind, die Fassung zu bewahren? Das Problem der Vorläufer-
schaft läßt sich jedoch nicht auf einen monokausalen Zusam-
menhang eingrenzen, und es sind immer erst die Nachfolger,
die sich ihre Vorläufer erschaffen. Ihnen das neunzehnte
Jahrhundert auszuliefern - und wahrscheinlich noch etwas
mehr, wenn man es wieder genau nimmt -, wäre Hitlers
später Sieg."
 »Völlig unsinnig ist es«,
             heißt es in Ernst BlochsVortrag »Über die Wurzeln des Nazismus« ,
»sich durch den Nazi um irgendein deutsches Kulturerbe betrügen zu lassen; es ist selbst für Bedenkliches an Wagner, diesem kolossalen Musikphänomen, keine 'Enthüllung'. Zu dieser sind andere Mittel bereit, solche, die nicht aus düster-übersteigerter Konsequenzmacherei bestehen, die vor allem das Bayreuther Genie oder den Vornehmen von Sils Maria [H.Hesse] nicht aus den Händen Hitlers entgegennehmen lassen. Die Musik der Nazis ist nicht das Vorspiel zu den Meistersingern, sondern das Horst-Wessel-Lied; andere Ehre haben sie nicht,andere kann und soll ihnen nicht gegeben werden.«
"Man hat Richard Wagner entweder ganz oder gar nicht.
Eine reinliche Scheidung zwischen Gutem und Bösem,
Bedeutung und Anmaßung, Zukunftsweisendem und Rück-
wärtsgewandtem ist ebenso unmöglich wie eine Trennung
von Licht und Schatten in dem Jahrhundert, das er samt sei-
nen Strömungen und Tendenzen bis ins letzte repräsentiert."
M.Gregor-Dellin, Was ist Größe? 


Mittwoch, 21. September 2016

Schicksal

Wer die Verhältnisse des Lebens versteht, ist groß.
Wem ein großes Schicksal zuteil wird, möge ihm folgen;
wem ein kleines Schicksal zuteil wird, möge es nehmen, wie er es trifft.

Dschuang Dsi

Dienstag, 20. September 2016

Lehrmeister

Viel Leid der Menschen kommt daher, daß sie sich zu Lehrmeistern der anderen aufspielen wollen. 
Mong Dsi 

Wissen

Der Meister sprach: 
„Dsi Lu, soll ich dich das Wissen lehren? Was man weiß, soll man als Wissen gelten lassen, was man nicht weiß, soll man als Nichtwissen gelten lassen: das ist Wissen.“ 
Kung Dsi 

"Zu wissen, was man weiß, und zu wissen, was man nicht weiß, das ist das Kennzeichen eines, der weiß."
Konfuzius 

Ideologien

Nichts steht dem Ideologen mehr im Wege als die Bescheidung auf das Mögliche und die dem Möglichen stets innewohnende Unvollkommenheit. Daher die heute immer krampfhaftere Suche der Weltbeglücker nach brennenden Problemen gerade in jenen Ländern, die sich eines in der Menschheitsgeschichte nie dagewesenen Zustands von Freiheit, Sicherheit und Wohlstand erfreuen. 
P. Watzlawick




ldeologien sind Ausreden, an der Macht zu bleiben, oder Vorwände, an die Macht zu kommen. Aber die Macht kann nur mit den Mitteln der Macht behauptet oder erobert werden: Mit der Gewalt. So rechtfertigen die ldeologen nicht nur die Macht, sie verklären auch die Gewalt, mit deren Opfern sie nachträglich wie Beerdigungsinstitute verfahren: Sie richten her, was sie hingerichtet haben.
F. Dürrenmatt

Genie und Charakter

"Wagner gilt nicht nur als paradigmatischer Fall für die Unvereinbarkeit von Genie und Charakter,er hat sie auch als erster begriffen. In den Tagebüchern Cosiına Wagners findet sich ein Eintrag von Richard Wagners eigener Hand, und zwar in der dritten Person, als habe er diese Selbstauskunft gern ihr zuschieben wollen:"
»Er klagte über die Nötigungen seiner künstlerischen Bestimmung,
dadurch, daß er ihnen gehorche, seine moralischen Anlagen unausgebildet lassen zu müssen: nebenbei könne er nichts tun, oder alles fiele schlecht aus; ganz moralischer Mensch sein heiße aber sich ganz aufopfern.«
M.Gregor-Dellin

P.S.: Und so bleibt einem, der erkannt hat, dass er kein Genie ist, nur übrig, wenigstens ein moralischer Mensch zu werden.


"Demnach darf niemand dem Dichter vorschreiben, daß er edel und erhaben, moralisch, fromm, christlich, oder dies oder das sein soll, noch weniger ihm vorwerfen, daß er dies und nicht jenes sei. Er ist der Spiegel der Menschheit und bringt ihr was sie fühlt und treibt zum Bewußtsein."

A. Schopenhauer

Sonntag, 18. September 2016

Fernstenliebe

“Rathe ich euch zur Nächstenliebe? Lieber noch rathe ich euch zur Nächsten-Flucht und zur Fernsten-Liebe!
Höher als die Liebe zum Nächsten ist die Liebe zum Fernsten und Künftigen; höher noch als die Liebe zu Menschen ist die Liebe zu Sachen und Gespenstern.”
F. Nietzsche.
Hauptsache nicht den Allernächsten!

Montag, 12. September 2016

Hat die Welt einen erfaßbaren Sinn?

Wie lange müssen wir alle fehlgehen, bis wir schließlich nicht noch mehr desselben tun, in der Annahme, daß dieses Tun die einzig mögliche Alternative ist, sondern die Annahme selbst in Frage stellen? Wie lange müssen wir vergeblich suchen, bis wir nicht mehr glauben, noch nicht an der richtigen Stelle gesucht zu haben, sondern uns fragen, ob es das Gesuchte überhaupt gibt? 
 KARL KRAUS fand die Antwort im Prinzip, daß er, wenn er zwischen zwei Übeln zu wählen habe, keines der beiden wählt. Und noch viel schöner ist der merkwürdig tröstliche Satz, den der Engländer CHESTERTON aus POPEs Werk zitiert:  »Gesegnet sei, der da nichts erwartet, denn er soll herrlich überrascht werden«. Und CHESTERTON schreibt weiter: »Es ist eine der Millionen schmerzhafter Wahrheiten, daß wir nichts wissen, bis wir nichts wissen« ; hier ergibt sich eine grundsätzlich neue Situation, in der die Frage wegfällt und mit ihr die Notwendigkeit einer Antwort. Es erweist sich nun, daß das Suchen, die Frage, das Problem ist....
Hat die Welt einen erfaßbaren Sinn? Wenn ja, welchen, und was ist daraus zu lernen? .....ich glaube, daß eines nun doch klar ist: Der Sinn, den wir erhalten, hängt von der Sinnfrage ab, die wir stellen. Die Sinnfrage selbst aber kann sich keinen Sinn geben; sie ist nicht ihr eigener Sinn, sie ist leer in dem Augenblick, in dem sie auf sich selbst zurückfragt. In anderen Worten: Solange die Frage nach dem Sinn des Sinnes nicht gestellt wird, kann die Welt als widerspruchsfrei erlebt werden, doch selbst das ist nicht notwendigerweise der Fall. 
 Der am Unsinn der Welt Verzweifelnde ist ... weiterhin in der Illusion verfangen, daß es einen Sinn geben muß, es ihn aber nicht gibt. Dadurch erst wird für ihn die Welt und das Leben unerträglich. Und daraus erhellt auch die Absurdität und die gegenteilige Wirkung der in bester Absicht (selbst von Psychiatern) immer wieder versuchten »Aufmunterung« des Patienten. Dieser Tragik bar dagegen ist die Bemerkung des Königs in Alice im Wunderland, der nach dem Lesen des unsinnigen Gedichts des Weißen Kaninchens zur erleichterten Schlußfolgerung kommt:             
 »Wenn kein Sinn darin ist, so erspart uns das eine Menge Arbeit, denn dann brauchen wir auch keinen zu suchen«.
Was uns das Phänomen der Rückbezüglichkeit meines Erachtens lehrt, ist, daß die Welt weder einen Sinn noch keinen Sinn hat, daß die Sinnfrage sinnlos ist. Was die Welt nicht enthält, kann sie auch nicht vorenthalten. Die Welt hat einen Eigenwert, der letztlich unser eigener ist. Die Zen-Meister sollen auf die Frage nach dem rechten Weg zur Erleuchtung geantwortet haben, daß man, solange man Satori (悟り)sucht, es nicht haben kann.
Und Graf DÜRCKHEIM (1954) berichtet: Als er Altmeister Suzuki einmal »mit Bezug auf das vom Menschen immer gesuchte und ihn ja doch stetig um- und durchflutende Sein fragte, ob es etwa so sei, wie der Fisch, der nach dem Wasser sucht, antwortete er mit leisem Lächeln: »Es ist noch mehr. Es ist so, wie wenn das Wasser nach dem Wasser sucht«. Der Taoismus spricht vom wu-wei , der absichtlichen Absichtslosigkeit.
Über die enigmatische Hintergründigkeit des KAFKA-Romans Der Prozeß bestehen zahllose Deutungen .....  doch scheint die Antwort in der Schlußbemerkung des Geistlichen in der Kathedrale enthalten zu sein. Nachdem er vergeblich versucht hat, Josef K. mit der Parabel vom Türhüter zu helfen, drückt er die Sinnlosigkeit von K.s Suche nach dem Sinn schließlich in einer einzigen, ganz klaren Bemerkung aus: »Das Gericht will nichts von dir. Es nimmt dich auf, wenn du kommst, und es entläßt dich, wenn du gehst.« Josef K. hört, aber versteht nicht und geht an seiner Suche nach endgültiger Gewißheit zugrunde. 

Paul Watzlawick, Münchhausens Zopf 

TV

"Was haben wir vom Fernsehen, wenn es uns mit dem Anblick von Arschgesichtern aus Amerika versorgt, wo unser Bedarf an solchen doch vom Inlande reichlich gedeckt wird?"
Herbert Müller-Guttenbrunn, 1928

delusions

"Orthorexia nervosa ist eine Essstörung, bei der die Betroffenen ein auffallend ausgeprägtes Verlangen danach haben, sich möglichst „gesund“ zu ernähren. Die Existenz eines solchen Krankheitsbildes wird vielfach bestritten. Es ist in der wissenschaftlichen Medizin nicht anerkannt.... ".  (https://de.wikipedia.org/wiki/Orthorexia_nervosa)
No na, da hängt ja ein äußerst lukrativer Markt dran.

Weil es ungefähr denselben Personenkreis betrifft: Auch der Begriff "Gutmensch" ist wissenschaftlich nicht anerkannt, ja die Betroffenen haben ihn taxfrei zum Unwort des Jahres 2015 ernannt.

Bildergebnis für delusion

Samstag, 10. September 2016

Das Erstaunliche am Leben

Das Erstaunliche am Leben ist der völlige Mangel jedes Scheins einer Versöhnung zwischen der Theorie und der Praxis des Lebens? Die Vernunft, gepriesene Wahrheit, das Gesetz wird hie und da für einen klaren und tiefen Augenblick erkannt, mitten in dem Getöse von Sorgen und Arbeit, die nicht direkt von ihr abhängig sind, geht dann wieder verloren, für Monate oder Jahre, um wieder für eine kurze Spanne Zeit gefunden und wieder verloren zu werden. Wenn wir diese Intervalle zusammenrechnen, haben wir in fünfzig Jahren vielleicht ein halbes Dutzend vernünftiger Stunden gehabt. Sind die Sorgen und die Arbeit dadurch leichter und wertvoller geworden? Eine Methode können wir in der Welt nicht entdecken, nur diesen Parallelismus von Großem und Kleinem, die nie aufeinander zurückwirken, nie die geringste Tendenz zum Konvergieren zeigen. Erfahrungen, Schicksale, politische Ereignisse, Lektüre, Schriftstellerei machen uns so wenig klug, als wenn ein Mensch ins Zimmer tritt, sich aus dem Anschein erkennen läßt, ob er sich von Brot oder Fleisch genährt hat.
...................
Und der Mensch muß lernen, in dem Wechselnden und Fliehenden nach dem Dauernden zu schauen; er muß lernen, den Untergang von Dingen, die er verehrte, zu ertragen, ohne seine Ehrfurcht zu verlieren; er muß lernen, daß er da ist, nicht um zu arbeiten, sondern um sich bearbeiten zu lassen, und daß, ob Abgründe unter Abgründen sich auftun mögen und eine Anschauung die andere verdrängt, alle zuletzt enthalten sind in dem Einen Ewigen Grunde. 
»Und sinkt mein Kahn, sinkt er zu neuen Meeren.« 
R.W.Emerson.

Montag, 5. September 2016

Der weise Skeptiker

"Der weise Skeptiker ist ein schlechter Staatsbürger; er ist kein Konservativer; er durchschaut die Selbstsucht des Eigentums und die schlaffe Trägheit unserer Institutionen. Aber er ist auch nicht fähig, mit irgendeiner der demokratischen Parteien, die sich jemals konstituiert, zu arbeiten, denn er wird gegenüber den Übeln der bestehenden Gesellschaft und den Projekten, die zu ihrer Verbesserung vorgeschlagen werden, einen gleich schweren Stand haben."

R. W. Emerson

Sonntag, 4. September 2016

Samstag, 3. September 2016

Fremdspenden

"Almosen sind ein frommes und Christliches Werk, wenn man sie aus seinem eigenen Beutel gibt; aber vom Gelde eines a n d e r e n sind sie Sünde." 
Miguel de Cervantes 

Dienstag, 30. August 2016

Paradoxien

"Gerade in unseren Tagen wird die Frage immer akuter, wie sich die Demokratie demokratisch gegen undemokratisches Verhalten zur Wehr setzen kann. Auch hier ist auf POPPERS Werk zu verweisen; vor allem auf die von ihm präzise herausgearbeiteten Paradoxien der Freiheit, der Demokratie und der Toleranz. Muß die Toleranz Intoleranz tolerieren? Wenn ja, wie kann sie die Wiedereinführung des Faustrechts als ihre eigene, unmittelbare Folge vermeiden; wenn nein, wie rettet sie sich davor, sich selbst rückbezüglich ad absurdum zu führen?

Besehen wir uns nur einen der Grundpfeiler demokratischer Freiheit: das Recht auf unbeschränkte parlamentarische Debatte. Der Mißbrauch dieser Freiheit durch eine undemokratisch vorgehende Oppositionspartei könnte das Parlament durch pausenlose Inanspruchnahme der Redefreiheit vollkommen paralysieren. Eine Einschränkung dieser Freiheit würde also notwendig. Die demokratische Einführung dieser Beschränkung unterliegt aber demselben Recht unbeschränkter Debatte, auf deren Beschränkung sie abzielt, und kann daher selbst endlos verzögert werden. Damit ist die Regierungsmaschinerie in einem Spiel ohne Ende verfangen.

Eine grundsätzlich ähnliche Situation ergibt sich, wenn jemand einen anderen überzeugen will, daß alle Menschen ungeachtet ihrer Abstammung, Hautfarbe, Religion oder ihres Geschlechts gleich sind. Dies wird in Sätze wie »Sie sind genau wie wir, »Zwischen Weißen und Schwarzen besteht kein Unterschied« oder ähnliche Beteuerungen gekleidet. Um diese Gleichheit zu betonen, ist es notwendig, zwischen »ihnen« und »uns« zu unterscheiden, und sei es auch nur, um festzustellen, daß die Verschiedenheit keine Verschiedenheit ist. In diesem Sinne heben sich selbstrückbezügliche Aussagen gerade deswegen auf, weil sie gemacht werden." 
P. Watzlawick, Münchhausens Zopf.

Freitag, 19. August 2016

Relative Wahrheit

"Die Geschichte der Menschheit zeigt, daß es kaum eine mörderischere, despotischere Idee gibt als den Wahn einer »wirklichen« Wirklichkeit (womit natürlich die eigene Sicht gemeint ist), mit all den schrecklichen Folgen, die sich aus dieser wahnhaften Grundannahme dann streng logisch ableiten lassen.
Die Fähigkeit, mit relativen Wahrheiten zu leben, mit Fragen, auf die es keine Antworten gibt, mit dem Wissen, nichts zu wissen, und mit den paradoxen Ungewißheiten der Existenz, dürfte dagegen das Wesen menschlicher Reife und der daraus folgenden Toleranz für andere sein. Wo diese Fähigkeit fehlt, werden wir, ohne es zu wissen, das Leben von Schafen leben, dumpf und verantwortungslos und nur gelegentlich durch den beizenden Rauch eines prächtigen Autodafés oder der Schlote von Lagerkrematorien unseres Atems beraubt."
P.  Watzlawick 

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Siehe auch:
Fromme und Leugner sind Brüder, denn beide behaupten zu wissen.Nur wer den Zweifel erträgt, ist von besonderer Art.
Aus: http://kumpfus.blogspot.co.at/2008/01/hheres.html