Sonntag, 30. Oktober 2016

Lechts und rinks

Die sozialistische Bewegung hat ihren Ursprung in intellektuellen Kreisen und endet nach einer längeren Affäre mit der Arbeiterbewegung sowie einer Namensänderung auch genau wieder dort.

Was für die Linken außerhalb Ihrer Vorstellungskraft liegt: Die meisten der "Rechtswähler" haben mit der rechten Ideologie gar nichts am Hut. Sie haben nur die Schnauze voll von den Linken (und Grünen) mit ihren Moralpredigten, hinter denen eine eklatante "Abschlußschwäche" im politischen Alltag steckt. Sie predigen Leitungswasser und trinken Perrier.

Und sie begreifen auch nicht, dass aus Gut Böse werden kann, wenn es zu viel und zu schnell kommt.


Medienschelte

Politiker schelten ist sowohl Massen- wie Profisport und vor allem darum allseits beliebt, weil ihn jeder ohne Training und gefahrlos ausüben kann. Die Schelte für die Medien, die an dem ganzen Schlamassel (wenn es denn eines ist) zumindest mitschuldig sind, gilt aber als verpönt - verpönt von den Medien selbst, die sich in gewohnter Weise von jeder Mitschuld selbst absolvieren. Und außerdem haben sie ja eh immer das letzte Wort in allen Belangen. Der irreparable Vertrauensverlust betrifft aber die Medien genau so wie die Politik und zwar ziemlich genau seit dem vorletzten Sommer: Da mussten  die Bürger fassungslos zusehen, wie Massen von Menschen unkontrolliert und mehr oder weniger unbehelligt von allen staatlichen Organen in das Land strömten und die Medien dazu nichts anderes zu bieten hatten als salbungsvolle Moral-Episteln und selbstgerechte Menschlichkeits-Fanfarenklänge. Da wurde selbst dem bildungsfernsten Bürger klar, dass die maßgeblichen Medien das Sprachrohr der Eliten sind und die Politiker ihre Tanzbären.  Und selbst der Dümmste macht sich seinen Reim darauf, dass nach Jahresfrist die Politik genau die Maßnahmen setzen muss, die damals von "Hetzern" gefordert wurden.

Samstag, 29. Oktober 2016

Widerstreit der Ideen von Raum und Zeit

Tang vom Hause Yin fragte Gi von Hia: „Gab es am Urbeginn eine Welt?“ Gi von Hia sprach: „Wenn es am Urbeginn keine Welt gegeben hätte, wie könnte es dann heute eine Welt geben? Da könnten die Menschen in Zukunft auch behaupten, daß es heute keine Welt gebe.“ Tang von Yin fragte: „Dann gibt es also in der Welt kein Vorher und kein Nachher.“ Gi von Hia sprach: „Ende und Anfang sind nicht fest begrenzt. Jeder Anfang kann als Ende gesehen werden, jedes Ende kann als Anfang genommen werden: Wie soll ich ihren Verlauf erkennen können? Was jenseits der Welt liegt, was vor den Erscheinungen ist, ist etwas, was ich nicht erkennen kann.“ Tang von Yin fragte: „Gibt es dann im Raum eine äußere Grenze und letzte einfache Teile?“ Gi von Hia sprach: „Das weiß ich nicht.
Tang fragte dringender. Gi antwortete: „Wenn es einen leeren Raum gibt, dann hat er keine Grenzen, wenn es nur erfüllten Raum gibt, dann hat er letzte einfache Teile. Wie kann ich dies erkennen? Man kann jenseits der Grenzen des Leeren sich noch einmal ein grenzenlos-grenzenloses Leere denken, innerhalb der unendlich kleinen Teile noch einmal unendlich-unendlich kleine Teile. Da jenseits des Grenzenlosen wieder ein grenzenloses Grenzenloses und innerhalb des unendlich kleinen wieder ein unendlich-unendliches Kleines ist, so kann ich mir vorstellen, daß es keine Grenzen und keine letzten einfachen Teile gibt, mir nicht aber vorstellen, daß es Grenzen und einfache Teile gibt.“ Tang fragte abermals und sprach: „Und wie ist es jenseits der vier Meere?“ Gi sprach: „So wie hier bei uns.“ Tang fragte: „Wie willst du das beweisen?“ Gi sprach: „Wenn ich nach Osten gehe, komme ich nach Ying. Dort sind die Leute wie hier. Wenn ich frage, wie es östlich von Ying ist, ist es dort wie in Ying. Gehe ich nach Westen, komme ich nach Bin. Dort sind die Leute wie hier. Wenn ich frage, wie es westlich von Bin ist, ist es dort wie in Bin. Daher weiß ich, daß es jenseits der vier Meere, jenseits der vier Wüsten, jenseits der vier Pole nicht anders ist als hier. Weil immer ein Größeres das Kleinere in sich schließt, gibt es kein Ende und keine Grenzen. Es gibt etwas, was die Natur in sich faßt, wie es auch etwas gibt, was die Welt in sich faßt. Weil es etwas gibt, was die Natur in sich faßt, gibt es kein Ende. Weil es etwas gibt, was die Welt in sich faßt, gibt es keine Grenze. Wie kann ich wissen, ob es um unsere Welt herum nicht noch eine größere Welt gibt? Anderseits übersteigt das auch das Wissen. Daraus folgt, daß die Welt auch zur Natur gehört Die Natur aber ist unvollkommen.“ 


Nach rund eineinhalb Jahrtausenden nähert sich die Wissenschaft wieder diesen 

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Erkenntnis

"Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben"
Franz Kafka.

Aber keine Panik: Der Weg zieht sich noch. Hoffentlich.

Dienstag, 25. Oktober 2016

Privat

Es fällt auf, dass die Aufenthalte der Züge der privaten WESTBAHN in den Stationen deutlich kürzer sind als bei den ÖBB. Könnte es daran liegen, dass letztere immer erst bei der Gewerkschaft anfragen müssen, ob sie losfahren dürfen?

Gleichberechtigung

Altösterreich. 
Kohn zum Starosten seiner Stadt: „Sie sagen, die Juden hier sind gleichberechtigt. Das stimmt aber nicht!"
»Wie können Sie so etwas behaupten! Schauen Sie sich  den tüchtigen Dr. Schönfeld an, wie großartig er Karriere gemacht hat!«
»Nu - was hat das mit der Gleichberechtigung zu tun? Gleichberechtigt sind die Juden erst, wenn auch jüdische Dummköpfe Karriere machen können!« 
Gilt das auch für die Frauen?

Samstag, 22. Oktober 2016

Partygespräch

„Herr Doktor, Sie als Fachmann für Psychoanalyse werden die Frage, die wir diskutieren, sicher beantworten können. Was meinen Sie: Wenn van Gogh psychoanalysiert worden wäre, hätte er sich dann sein Ohr nicht abgeschnitten?"
“Oh doch! Aber er hätte gewußt, warum."

Freitag, 21. Oktober 2016

Intoleranz

"Im Namen der Toleranz sollten wir daher das Recht beanspruchen, die Intoleranz nicht zu tolerieren."

Karl Popper

Montag, 17. Oktober 2016

Religion und Glaube

 "...diese unsere Auffassung von Religion hat nur noch
herzlich wenig zu tun mit konfessioneller Engstirnigkeit und de-
ren Folge, religiöser Kurzsichtigkeit, die in Gott anscheinend ein
Wesen sieht, das im Grunde nur auf eines aus ist, und das ist:
daß eine möglichst große Zahl von Leuten an ihn glaubt, und
überdies noch genau so, wie eine ganz bestimmte Konfession es
vorschreibt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Gott so
kleinlich ist. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, daß es sinn-
voll ist, wenn eine Kirche von mir verlangt, daß ich glaube. Ich
kann doch nicht glauben wollen - ebensowenig wie ich lieben
wollen, also zur Liebe mich zwingen kann, und ebensowenig,
wie ich mich zur Hoffnung zwingen kann, nämlich gegen besse-
res Wissen. Es gibt nun einmal Dinge, die sich nicht wollen las-
sen - und die sich daher auch nicht auf Verlangen, auf Befehl
herstellen lassen. Um ein einfaches Beispiel beizubringen: ich
kann nicht auf Befehl lachen. Wenn jemand will, daß ich lache,
dann muß er sich schon bemühen und mir einen Witz erzählen.
Und analog verhält es sich auch mit der Liebe und dem Glau-
ben; sie lassen sich nicht manipulieren. Als intentionale Phäno-
mene, die sie sind, stellen sie sich vielmehr erst dann ein, wenn
ein adäquater Inhalt und Gegenstand aufleuchtet.
Eines Tages wurde ich von einer Reporterin des amerikani-
schen Time-Magazins interviewt, und die Frage war, ob der
Trend von der Religion wegführt. Ich sagte, der Trend führe
nicht von der Religion weg, sehr wohl aber von jenen Konfessio-
nen, die anscheinend nichts anderes zu tun haben, als gegenein-
ander zu kämpfen und sich gegenseitig die Gläubigen abspenstig
zu machen. Nun fragte mich die Reporterin, ob dies heißt, daß
es früher oder später zu einer uníversalen Religion kommen
wird, was ich aber verneinte: im Gegenteil, sagte ich, wir gehen
nicht auf eine universale, vielmehr auf eine personale - eine zu-
tiefst personalisierte Religiosität zu, eine Religiosität, aus der
heraus jeder zu seiner persönlichen, seiner eigenen, seiner ur-
eigensten Sprache finden wird, wenn er sich an Gott wendet.
Dies bedeutet selbstverständlich noch lange nicht, daß es keine
gemeinsamen Rituale und Symbole geben wird. Gibt es doch
auch eine Vielzahl von Sprachen - und doch: gibt es nicht für
viele unter ihnen ein gemeinsames Alphabet?
So oder so, in ihrer Verschiedenheit gleichen die verschiedenen
Religionen den verschiedenen Sprachen: niemand kann sagen,
daß seine Sprache den anderen überlegen ist - in jeder Sprache
kann der Mensch an die Wahrheit herankommen - an die eine
Wahrheit -, und in jeder Sprache kann er irren, ja lügen. Und
so kann er denn auch durch das Medium jeder Religion hindurch
zu Gott finden - zu dem einen Gott.
Es fragt sich nur, ob sich überhaupt von Gott und nicht viel-
mehr nur zu ihm sprechen läßt. Den Satz von Ludwig Wittgen-
stein: „whereof one cannot speak, thereof one must be silent“ --- wovon man nicht sprechen kann, davon muß man schweigen -- können wir ja nicht nur aus dem Englischen ins Deutsche, sondern auch aus dem Agnostischen ins Theistische übersetzen - von dem man nicht sprechen kann, zu dem muß man beten.
Heute wenden sich Patienten an den Psychiater, weil sie am
Sinn ihres Lebens zweifeln oder gar daran verzweifeln, einen Le-
benssinn überhaupt zu finden. Eigentlich brauchte sich aber
heute niemand über Mangel an Lebenssinn zu beklagen; denn
er braucht nur seinen Horizont zu erweitern, um zu bemerken,
daß zwar wir uns des Wohlstands erfreuen, andere aber im Not-
stand leben; wir erfreuen uns der Freiheit; wo aber bleibt die
Verantwortlichkeit für die anderen? Vor Jahrtausenden hat sich
die Menschheit zum Glauben an den einen Gott durchgerungen:
zum Monotheismus - wo aber bleibt das Wissen um die eine
Menschheit, ein Wissen, das ich Monanthropismus nennen
möchte? "

P. Watzlawik

Pädagogik

Der Vater: »Moritzl, laß dir nix einreden! Du mußt dir immer darüber klar sein, daß Geld allein nicht glücklich macht: Man muß es auch haben‘.« 
Aus S. Landman, Jüdische Witze-Nachlese

Sonntag, 2. Oktober 2016

Die Herrschaft der Sklaven

Gerade im Hinblick auf die Rolle der Kommunikation in der nahen Zukunft zeichnen sich viel konkretere Probleme ab, die freilich angesichts jener globalen an Bedeutung
zu verblassen scheinen. Eines dieser Probleme versteckt sich in Lord KELVINs prägnantem Ausdruck: Everything that exists, exists in a quantity and can, therefore, be measured. Damit wurde er sozusagen zum Wortführer des (freilich schon lange
vor ihm bestehenden) Glaubens an die Quantifizierbarkeit unserer Welt und, damit verbunden, an die endgültige Ausmerzung alles Unlogischen und Irrationalen. 
Der moderne Computer scheint diese Hoffnung an die Schwelle ihrer Verwirklichung gebracht zu haben. Der zukünftige Einfluß der EDV auf die Struktur unserer Gesellschaft läßt sich derzeit auch nicht annähernd ermessen; bereits sichtbar aber sind die ersten Symptome dieser Entwicklung, die der rumänische Schriftsteller VIRGIL GHEORGHIU schon 1950 beschrieb:
„Eine Gesellschaft, die sich aus Millionen von Millionen mechanischer Sklaven und bloß 2000 Millionen Menschen zusammensetzt, wird - wenn sie auch von den Menschen beherrscht wird - die Eigenschaften ihrer proletarischen Mehrheit haben......Die mechanischen Sklaven unserer Zivilisation behalten diese Eigenschaften bei und leben gemäß den Gesetzen ihrer Natur..... Um seine mechanischen Sklaven verwenden zu können, muß der Mensch sie verstehen lernen und ihre Gewohnheiten und Gesetzmäßigkeiten nachahmen. [...] Eroberer übernehmen, wenn sie zahlenmäßig den Eroberten unterlegen sind, die Sprache und Gewohnheiten der beherrschten Nation, sei es der Einfachheit halber, oder aus anderen praktischen Gründen - und dies, obwohl sie die Herren sind. Derselbe Prozeß ist in unserer eigenen Gesellschaft im Gange, obwohl wir ihn nicht wahrhaben wollen. Wir lernen die Gesetzmäßigkeiten und den Jargon unserer Sklaven, um ihnen Befehle geben zu können. Und langsam und unmerklich verzichten wir auf unsere menschlichen Eigenschaften und unsere Gesetze. Wir entmenschlichen uns, indem wir die Lebensgewohnheiten unserer Sklaven annehmen. Das erste Symptom dieser Dehumanisierung ist die Mißachtung des Menschlichen.“
Wer erst als Erwachsener diese »neue Welt aus Null und Eins«
(KREUZER 1985) betrat, dürfte aus seiner Vergangenheit noch
genügend Immunität gegen jene Infektionen mitgebracht ha-
ben, denen man in der Kommunikation mit dem Genossen
Computer ausgesetzt zu sein scheint. Doch bereits auch unter
der erwachsenen Bevölkerung des globalen »Silicon Valley«  -
ob es sich nun um Mathematiker, Physiker, Ingenieure, Infor-
matiker oder andere EDV-Spezialisten handelt - beginnen sich
merkwürdige Persönlichkeitsveränderungen abzuzeichnen,
deren gemeinsamer Nenner die Unwilligkeit oder sogar Unfä-
higkeit ist, mit den ››unvernünftigen«, also unlogischen, irratio-
nalen, emotionalen Aspekten des menschlichen Zusammenle-
bens - auch, oder sogar besonders im rein persönlichen Bereich
und der Intimsphäre - fertigzuwerden. Ganz ernsthaft sehnen
diese Menschen leuchtenden Auges den Tag herbei, da endlich
alles ››Analoge« (wie es in ihrer Sprache heißt) ausgemerzt und
Welt und Menschen in den Begriffen der objektiven, »digita-
len« Logik erfaßt sein werden. Die Digitalisierung wird so zur
modernen Vision eines irdischen Paradieses.
Von dieser Entwicklung ist zu befürchten, daß sie lawinen-
artig zunehmen wird, wenn einmal die heute Acht- oder Zehn-
jährigen das Erwachsenenalter erreichen - was uns ziemlich ge-
nau zum Anbruch des dritten Milleniums bringt. Die Welt dieser
Kinder ist, wenigstens in den USA, bereits weitgehend digitali-
 siert. Damit soll gesagt sein, daß der Heimcomputer (und,
nicht zu vergessen, die Violenz der auf ihm abrufbaren elek-
tronischen Spiele) heute in Hunderttausenden von Familien
bereits das wichtigste Spielzeug geworden ist, und daß diese
Kinder daher lernen, mit einer seelenlosen Maschine zu kom-
munizieren und sich auf ihre Erfordernisse einzustellen, wäh-
rend früher das erste nicht rein familiäre Bezugsobjekt eine
Katze oder ein Hund gewesen sein mag. Wie subtil diese Ver-
kümmerung ist und wie leicht sie das Weltbild eines Kindes
beeinflussen kann, legt ein an sich unbedeutendes Beispiel
nahe: Nicht nur nimmt der Taschenrechner diesen Kindern die
Notwendigkeit der vorstellungsmäßigen Erfassung der Zahlen-
welt ab, sondern die Digitaluhr läßt das Bild eines zeitlichen
Ablaufs nicht mehr zur Ausbildung kommen, das die altmodi-
schen (Analog-)Uhren durch die Bewegung der Zeiger vermit-
telten. Die Bedeutung der Zeitangabe ››10 Minuten vor 12« ist
daher vielen dieser Kinder bereits unverständlich, ganz zu
schweigen von der Verwendung des Zifferblatts als Richtungs-
angabe z. B. in der Navigation oder Raumorientierung. (Dies
soll nicht heißen, daß die Vorstellung der Zeit als eines kreis-
förmigen Ablaufs per se besondere Wichtigkeit habe; das Bei-
spiel soll nur zeigen, wie sich subtile Änderungen im Weltbild
unzähliger Menschen durch den Gebrauch von Gegenständen
des Alltagslebens ergeben können.)
Ein weiteres bereits unübersehbares Symptom unserer
kommunikativen Zukunft sind die Folgen der Informations-
Überschwemmung auf allen Gebieten. Die technischen Mög-
lichkeiten der Speicherung und daher auch der sofortigen Ver-
fügbarkeit von Information haben Ausmaße erreicht, von
denen wir Laien uns auch keine annähernde Vorstellung ma-
chen können. Hierzu ein Berufener, nämlich der Philosoph
JÜRGEN MITTELSTRASS (1986):
„Derzeit ist viel, vor allem in Politikermunde, von einer Informationsgesellschaft die Rede, zu der die bürgerliche Gesellschaft aufgebrochen sei. Mit diesem Schlagwort garniert man die Medienpolitik und die Vorstellung von einer technologischen Zukunft, in der sich die gesellschaftlichen Rationalitäten vornehmlich nach den Einfällen der Ingenieure richten sollen. Was dabei [. . .] übersehen wird, ist die Opposition von Information und Wissen, der Umstand nämlich, daß sich Information an die Stelle von Wissen zu setzen sucht und damit einer Art neuen Oberflächenexistenz das Wort redet. Während Wissen Gegensatz von Dummheit ist, gilt dies von Information nicht in allen Fällen. Gemeint ist: Wir durchschauen immer weniger, was uns in Form von Informationen zur Verfügung steht. [. . .] Wissen kann man sich nur als Wissender aneignen, Informationen muß man glauben.“
.... Weit mehr als es die Propagandaministerien totalitärer Staaten bis-
her fertiggebracht haben, erzeugt das Fernsehen eine freiwillige Unterwerfung und Gleichschaltung des Denkens und Fühlens, wie sie in der Geschichte der Menschheit wohl einmalig dasteht - nicht weil die Menschen früherer Epochen vielleicht
immuner waren, sondern weil die moderne Technologie zur Vertrottelung und Verrohung von Millionen von Individuen noch nicht bestand. Erst das Fernsehen lehrt uns, wie wir sprechen, handeln und uns kleiden sollen, welche Probleme der elegante, moderne Mensch haben darf, und wie er mit ihnen (meist gewalttätig) fertig werden kann. Auch hierzu nur ein Zitat aus berufener Quelle, nämlich aus NEIL POSTMANs (1985) Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“:

„HUXLEY hat gezeigt, daß im technischen Zeitalter die kulturelle Ver-
wüstung weit häufiger die Maske grinsender Betulichkeit trägt als die
des Argwohns oder des Hasses. In HUXLEYS Prophezeiung ist der
Große Bruder gar nicht erpicht darauf, uns zu sehen. Wir sind darauf
erpicht, ihn zu sehen. Wächter, Gefängnistore oder Wahrheitsmini-
sterien sind unnötig. Wenn ein Volk sich von Trivialitäten ablenken
läßt, wenn das kulturelle Leben neu bestimmt wird als eine endlose
Reihe von Unterhaltungsveranstaltungen, als gigantischer Amüsier-
betrieb, wenn der öffentliche Diskurs zum unterschiedslosen Geplap-
per wird, kurz, wenn aus Bürgern Zuschauer werden und ihre öffent-
lichen Angelegenheiten zur Varieté-Nummer herunterkommen, dann
ist die Nation in Gefahr - das Absterben der Kultur wird zur realen
Bedrohung.“

Die grenzenlose Verkümmerung all dessen, was jahrtau-
sendelang für die Vornehmsten Eigenschaften und Möglichkeiten des Menschen galt, hinterläßt das schon eingangs erwähnte Gefühl der Leere und der vagen Bedrohung, und gibt Anlaß zu meist hilf- und planlosen Versuchen, diese Leere irgendwie zu
füllen…… Bei näherem Hinsehen erweisen sich die wunderbaren ›Ideen‹ 
der modernen Weltbeglücker praktisch ausnahmslos als bereits in früheren
Epochen verkündet, bald aber als nutzlos, wenn nicht gar unmenschlich erkannt und verworfen. Plus ça change, plus c'est la même chosesagt die Weisheit des Sprichworts. Auch in dieser Hinsicht wäre also die ganze Information verfügbar, aber ihre bloße Verfügbarkeit ist eben nicht gleichbedeutend mit Wissen……

Leben entwickelt sich bekanntlich in kleinsten Schritten, während alle großen Änderungen katastrophisch sind. Auch im Leben des einzelnen scheint es nicht anders zu
sein: Es sind kleine Schritte, nicht selten sogar unvorhergesehene Zufallsereignisse, die zum Ausgangspunkt wichtiger Neuentwicklungen werden können…… 
Aber nur wenige Dinge erzeugen rascheren Widerstand und moralische Entrüstung, als
eben eine Philosophie der kleinsten Schritte, wie sie schon KARL POPPER empfiehlt. 
Und mit ihm kommt einem auch der Philosoph ROBERT SPAEMANN in den Sinn, der den Mut hat, darauf zu verweisen, daß die einzig humane Definition des
Friedens nur eine negative, nämlich die Abwesenheit von Gewalt, sein kann, und daß jede positive Definition eo ipso zu Gewalt und Unmenschlichkeit führen muß. 
Die für viele Idealisten und Ideologen allzu bittere Pille ist: 
Wer das summum bonum anstrebt, setzt damit auch schon das summum malum.

P. Watzlawik
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"Sie eilen zur Untertänigkeit".
Racine, Britannicus.