Samstag, 4. Februar 2017

Moral, Glaube, Zweifel

Moral ist nicht schon die Erkenntnis des Notwendigen.
Moral ist das Verwirklichen dieser Erkenntnis.

Das Schlimmste, glaube ich, ist, glauben zu
wollen, was es nun sei, was man glauben will, sei es das
Christentum oder irgendeine Ideologie. Denn wer glau-
ben will, muß seine Zweifel unterdrücken, und wer seine
Zweifel unterdrückt, muß sich belügen. Und nur wer seine
Zweifel nicht unterdrückt, ist imstande, sich selbst zu bezweifeln,
ohne zu verzweifeln, denn wer glauben will, verzweifelt,
wenn er plötzlich nicht glauben kann. 

Aber wer sich bezweifelt, ohne zu verzweifeln, 
ist vielleicht auf dem Wege zum Glauben. 

Ohne ihn vielleicht je zu erreichen. Was für ein Glaube es jedoch ist,
dem so einer entgegengeht, ist seine Sache. Es ist sein Geheimnis, das er
mit sich nimmt, denn jedes Glaubensbekenntnis ist unbeweisbar,
und was nicht bewiesen werden kann, soll man für sich behalten.

F. Dürrenmatt

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