Donnerstag, 16. Februar 2017

Schweigespirale

So lautstark, selbstsicher und allgegenwärtig sind die Wortverbreiter, daß sie den Lauen imponieren, die Gegner einschüchtern und niemanden an eine Gegenoffensive denken lassen. Damit setzen sie das in Gang, was Noelle-Neumann die Schweigespirale nennt: Der einzelne neige dazu, keine Meinungen zu äußern, von denen er annimmt, daß sie ihn von der Mehrheit isolieren könnten. Durch sein Schweigen werde die tat­sächliche Mehrheit gestärkt - oder die vermeintliche Mehrheit in eine tatsächliche verwandelt: »ein Spiralprozeß, der eine Meinung immer fester als die herrschende etabliert«.
Die Schweige-Hypothese lasse Voraussagen zu: »Bei zwei verschiedenen Meinungsfraktionen hat diejenige die Zukunft für sich, die eine stärkere Bereitwilligkeit zur Meinungsäußerung zeigt. Eine Minderheit, die von ihrer zukünftigen Vorherrschaft überzeugt und daher bereit ist, sich zu exponieren, besitzt eine große Wahrscheinlichkeit, zur herrschenden 1. Meinung zu werden ... Ihr gegenüber zeigt eine Mehrheit, die zwei­felt, ob sich ihr Standpunkt in Zukunft behaupten wird, eine ab­nehmende Tendenz, sich zu äußern.«
Das ist eine perfekte Beschreibung des Prozesses, dem viele west­liche Industrienationen gegen Ende der sechziger Jahre von den Neo­marxisten unterworfen wurden: Sie brachen mit ihrem aggressiven Vokabular in eine Umwelt ein, die gewohnt war, mit den Wörtern läßlich umzugehen, also der geballten Energie und schneidenden Selbstgewißheit der neuen Wortführer nichts entgegenzusetzen hatte. Wörter deuten die Welt; wer seine Deutung durchzusetzen weiß, ist Herr über die Seelen. Führt er gar ein geschlossenes Wertsystem mit einer Phalanx militanter und »alles« erklärender Begriffe ins Feld wie heute der Marxismus und früher die Katholische Kirche, so wird selbst dem aufgeklärten Bürger die Selbstbehauptung schwer. 
Wolf Schneider

Siehe dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Schweigespirale

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