Freitag, 3. März 2017

Der Linke ist der bessere Mensch

Martin Walser zitiert aus seinem Tagebuch unterm Datum vom 14. Juni 2000:
"Da er öfter bemerkte, dass er etwas dagegen hat, dass es ungerecht zugeht in der Welt, sah er, als er sich umsah nach einer Bezeichnung für seine ungerechtigkeitsabweisende Empfindlichkeit, schließlich ein, dass er links war. Da er Menschen beobachtete, die auf Ungerechtigkeit nicht so reagierten wie er, musste er einsehen, dass er besser war als andere. Das führte dazu, dass er erkannte: der Linke ist der bessere Mensch.
und schreibt dann weiter:
"Offenbar durfte ich mich, als ich das notierte, schon nicht mehr links fühlen, also ließ ich es zu, dass eine polemische Stimmung entstand gegen den, der sich, weil er links war, als der bessere Mensch vorkam. Ich musste vor mir selber rechtfertigen, dass ich nicht mehr als Linker gelten konnte.
Am liebsten würde ich in dieser Tonart heute noch fortfahren: Der bessere Mensch weiß nicht, dass er der bessere Mensch ist. Das darf für alle Zugehörigkeiten gelten, die ihren Mitgliedern Rechtfertigungen gewähren. Lebenslänglich SPD, das stell ich mir vor wie eine Allwetterkleidung fürs Bewusstsein. Mir ist keine derartige Zugehörigkeit gelungen. 

 Übrig geblieben ist also das Rechthabenmüssen. Rechtzuhaben ist der akzeptierte Ersatz für Rechtfertigung. Eine Art Bewusstseinsimperialismus auch. Oft genug verbunden mit Macht und Machtgefühl.  Zeitgeistopportunität.  Was ist denn political correctness anderes als eine Domestizierung des Gewissens, eine Passe-partout- Rechtfertigung?"

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