Mittwoch, 2. August 2017

Es

"Wie wir  schon sahen, ist nichts ernüchternder als eine erfüllte Hoffnung, und nichts trügerischer als eine versagte.
Er hatte also den Punkt erreicht, daß er sich seines Suchens voll bewußt war, und damit auch seiner ewigen Frage an alle Inhalte und Aspekte der Welt: Ist es das? Und nun ergab sich eines Tages ein ganz kleiner Wandel; eben einer von jenen, die so klein sind, daß sie Großes herbeiführen. So unwahrscheinlich es klingen mag, es war die winzige Verschiebung der Betonung von das auf es, wodurch die Frage plötzlich »Ist es das?« lautete. Und sofort kam ihm die Antwort: Kein »Das«, kein Ding da draußen in der Welt, kann je mehr als ein Name des Es sein - und Namen sind Schall und Rauch. In diesem Augenblick fiel die Trennung zwischen ihm und es weg; zwischen Subjekt und Objekt, wie die Philosophen sagen würden. Kein Das konnte je dieses Es sein. Was die Welt nicht enthält, kann sie auch nicht vorenthalten, sagte er zu seinem eigenen Erstaunen immer wieder vor sich hin; und dazu noch die für ihn merkwürdig bedeutungsvollen Worte: Ich bin icher als ich. Auf einmal war es ihm klar, daß die Suche der einzige Grund des bisherigen Nichtfindens gewesen war; daß man da draußen in der Welt nicht finden und daher nie haben kann, was man immer schon ist. 
Und damit erfüllte sich für ihn jenes Wort der Apokalypse, wonach die Zeit nicht mehr sein wird - und er stürzte in die zeitlose Fülle des gegenwärtigen Augenblicks. 
Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde stand er in dieser Zeitlosigkeit, denn um sie zu bewahren, verfiel er sofort auf die Patendlösung, dem Erlebnis einen Namen zu geben und nach seiner Wiederholung zu suchen ..."

P. Watzlawick, Vom Schlechten des Guten. 

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